Mantova: Kultur im Nebel

Kunstüberdosis in der italienischen Kulturhauptstadt 2016

Warum habe ich gestern Abend gedacht, ein Zug um 8.10 Uhr nach Mantua sei eine gute Idee? Das ist eine Zeit, in der an der Bar die Croissants noch nicht angekommen sind und mein Frühstück demnach aus einem Caffè macchiato besteht. Im Zug schlafe ich unter meiner Zeitung ein. Es ist aber schön am frühen Vormittag anzukommen und nach einem zweiten Frühstück bin ich bereit für Mantua, die italienische Kulturhauptstadt 2016, die außerdem soeben von ItaliaOggi und der Università La Sapienza Rom zu lebenswertesten Stadt Italiens gewählt wurde.

Mantua begrüßt uns mit dickem Nebel, wir finden das Ende der Schlange vor dem Palazzo Ducale aber trotzdem und reihen uns ein. Man kann die Eintrittskarten auch online vorbestellen, was am Wochenende sicherlich sinnvoll ist. Nach 20 Minuten sind wir drinnen und ich kann es kaum erwarten, meine Hände aufzutauen. Zu früh gefreut: der alte Teil des Palastes, der Corte Vecchia ist ungeheizt! Und das scheint Tradition zu haben, in nur ganz wenigen Zimmern gibt es Öfen. Nur weil man, wie die Gonzaga, zu den mächtigsten Familien Italiens gehörte, war das noch lange keine Garantie dafür, es im Winter warm zu haben.

Der Palazzo Ducale diente den Gonzaga von 1328 bis 1707 als Herrschaftssitz und den haben sie sich schön gemacht. Die Camera degli Sposi, die von Ludovico Gonzaga beauftragt wurde und zwischen 1465 und 1474 von Andrea Mantegna mit beeindruckenden Fresken ausgestaltet wurde, gilt als das schönste Zimmer der Welt. Der Raum diente als Empfangszimmer und repräsentatives Schlafzimmer. Es ist ein Meisterwerk, aber ob ich unter so vielen Augen schlafen könnte? Im Palazzo Ducale gibt es bis  zum 8. Januar 2017 noch eine kleine Albrecht Dürer-Ausstellung, weil dieser Mantegna beeindruckt und beeinflusst hat, sie ist im Eintritt mit inbegriffen und empfehlenswert.

Kunst macht hungrig, deshalb stellen wir uns sofort bei der nächsten Schlange an, in der Osteria le Quattro Tette (ja, das heißt was Du denkst, was es heißt), wir müssen etwas warten und weil wir spät dran sind, sind schon einige Gerichte aus, aber ich ergattere die letzten Crêpes mit Kürbiscreme und bin sehr glücklich. Hier gibt es täglich wechselnde bodenständige Regionalküche, viel vegetarische Auswahl und das alles zu unschlagbaren Preisen. Früh kommen und Zeit mitbringen muss man vor allem samstags, aber das lohnt sich!

Gestärkt besuchen wir die Basilika di  Sant’Andrea aus dem 15. Jahrhundert, die riesig ist und angeblich Blut Christi bevorratet. Viel mehr gefällt mir die muffinförmige Rotonda di San Lorenzo, die Kirche ist bald 1000 Jahre alt und liegt deshalb circa anderthalb Meter unter dem Straßenniveau.

Palazzo Te – Nebel im Innenhof
Im Saal der Riesen

Mit unserem Kulturprogramm sind wir noch lange nicht fertig, deshalb gehen wir jetzt in den Palazzo Te, ein Reneissancelustschloss, den sich auch wieder die Gorgonzola, äh, Gonzaga bauen lassen haben. Von außen macht er nicht viel her aber drinnen geht es dafür so richtig ab. Der Amor und Psyche-Saal hält schon Fresken jeden Sujets bereit aber der Riesen-Saal knallt richtig. Hier hat Giulio Romano alle verfügbaren Flächen mit dem Kampf der Riesen gegen die griechischen Götter um den Olymp aus Ovids Metamorphosen bemalt. Indem er alle Ecken und Winkel abgerundet hat, steht man mitten drin. Früher war auch der Fußboden eingebunden und es flackerten Feuer, aber auch ohne beeindruckt der Saal. Beim Rundgang durch den Palast tritt man immer wieder nach draußen, was bei dem Nebel gespenstischgut ist. Vor dem Rausgehen nicht den Abstecher in den geheimen Garten verpassen!

Ich verstehe jetzt, warum Mantua Kulturhauptstadt ist und so lebenswert. Man kann in der Innenstadt, die fast überall Fußgängerzone ist, ausgezeichnet schlendern. Es gibt überall kleine Geschäfte, Bars, Cafés, Wochenmärkte mit lokalen Produkten, außerdem wird die Stadt von drei Seen umarmt. (Zumindest sagt das der Stadtplan, mit eigenen Augen kann ich mich nicht davon überzeugen, der Nebel ist zu dicht.) Und die Anzahl von Museen und Kirchen ist wirklich hoch, obwohl die Stadt klein ist. Hier könnte ich auch länger bleiben – und noch mehr Museen besuchen!

 

Details

Essen

Osteria le quattro tette, Vicolo Nazione 4 Mantova (MN), Telefon: 0376329478, mittags 12.30-14.30 Uhr: einfache gute Küche

Zzino Tramezzino, Corso della Libertà, 7, 46100 Mantova: wabbliges Weißbrot lecker belegt, wie es italienische Herzen höher schlägen lässt

Umgebung

Kultur (auf bezaubernden Deutsch und Englisch)

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