Potsdam sieht aus, als wäre es nicht echt, sagt mein Freund. Zu sauber. Zu frisch gestrichen. Und dann diese nur zweigeschossigen Häuser entlang der Einkaufsstraße. Dabei ist man nur eine vierzigminütige S-Bahnfahrt von Berlin entfernt. Und in meiner Straße liegt noch der Silvestermüll. Ziemlich lange konnte man antworten: Ja, dafür ist Berlin aber auch interessanter, schau Dir nur mal die Museumslandschaft an. Und dann hat in Potsdam am 23. Januar das Museum Barberini eröffnet. Der SAP-Mäzen und Stifter Hasso Plattner hat den preussischen Barberini Palast wiederaufbauen lassen und darin seine großartige Sammlung der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Dazugekommen sind ausgewählte Exponate aus Museen und Privatsammlungen der ganzen Welt. Ein Vertrauensvorschuss, wenn man sich überlegt, dass das Museum ganz neu ist.
Wenn ich in letzter Zeit die Nachrichten lese, kommen mir große Zweifel an der Menschheit. Aber wenn sich immer noch so viele Menschen für Kunst begeistern können und so viele Museen und Sammler*innen zusammenarbeiten, gibt es vielleicht doch Hoffnung. Diese Begeisterung bedeutet aber auch, dass man mit der Eintrittskarte einen Zeitraum zugewiesen bekommt, zu dem man die Ausstellung betreten kann, damit es selbst wenn es voll ist, nicht zu voll wird. Man muss nur Glück haben, noch Tickets zu ergattern, wir bekommen die letzten zwei Karten für 16 Uhr, jubeln und nutzen die Wartezeit für einen Spaziergang durch die Fußgängerzone – die es in zu Hause auch nicht gibt. Na Berlin, ziehst Du nach?
„He, das Gemälde kenne ich! Aus dem Kunstgeschichtsunterricht!“ – „Ja, ich hatte das auch in meinem Kunstbuch.“ Und so geht das ständig. Zurzeit und noch bis zum 28. Mai laufen zwei Ausstellungen, die bezaubernde Impressionismus. Die Kunst der Landschaft, die beweist, dass der Impressionismus mehr ist als Einrichtungshausposterkitsch und Klassiker der Moderne. Liebermann, Munch, Nolde, Kandinsky. Zu jedem Ausstellungsstück gibt es Informationen an der Wand. Die sind mal atmosphärisch, mal technisch – aber immer da, sodass man nicht auf den Audioguide angewiesen ist. Oder auf die gut gemacht App.
Die Ausstellungsräume können in verschiedenen Farben gestrichen werden, um sich der Kunst anzupassen. Der white cube fehlt mir nicht und Monets Seerosen strahlen gegen das Dunkelblau. Die Feministin in mir jubelt, weil mit Ortrud Westheider eine qualifiziert e Frau Museumsdirektorin ist und unter einer Rodinskulptur „traditionelle Geschlechterrollen in übertriebener Darstellung“ steht. Und nicht nur die Exponate beeindrucken, sondern auch das neue Museum selbst. Der Dielenboden, der Stuccolustro im Treppenhaus, das Beleuchtungskonzept, das sogar Bilder hinter Glas zum Leuchten bringt, ohne dass es spiegelt. Und es gibt Schließfächer, in denen man sein Handy oder Laptop aufladen kann, da kommen Ladekabel aus der Wand. Sowas habe ich noch nie gesehen! Dieses Museum ist zugleich stillvoll und zurückhaltend eingerichtet, es lässt der Kunst den Vortritt aber beeindruckt trotzdem durch stille Eleganz. Ich bin schwer begeistert. Wenn im Herbst die geplante Ausstellung zur DDR-Kunst eröffnet, bin ich auf jeden Fall wieder da.
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Öffnungszeiten
Täglich 11–19 Uhr, dienstags geschlossen, jeden ersten Donnerstag im Monat 11–21 Uhr
Preise
14€/7€/0€ unter 18, Eintrittskarten gibt es hier im Vorverkauf